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Corporate Design Management (2/5)

Inkonsistentes Corporate Design – die Lösungsansätze

Im ersten Teil haben wir die Rolle der Konsistenz und die Gründe für eine zunehmende Inkonsistenz im Corporate Design thematisiert. Was aber tun, wenn ein Unternehmen das Auseinanderdriften eines Erscheinungsbildes bemerkt? In dem Fall stehen einem Brand Manager unterschiedliche Lösungswege offen, um ein einheitliches Corporate Design sicherzustellen diese nehmen wir nun in den Blick.

Konzeptionelle Ansätze oder „Wie wichtig ist uns Konsistenz?“

Kohärenz versus Konsistenz (Widerspruchsfreiheit statt Uniformität) 

„Wahrgenommene Stimmigkeit“ setzt nicht voraus, dass zwei Motive auf den Millimeter identisch sind, sondern ob der Betrachter einen stimmigen, sinnvollen und systematischen Zusammenhang erkennt. 

Bei diesem Zusammenhang (oder wie die Integrierte Kommunikation es nennt: bei einer Verbindungslinie) handelt es sich beispielsweise um eine übergreifende, gemeinsame Stimmung, ein wiederkehrendes Motiv oder konstante, formale Elemente. Es muss nicht alles wie gestempelt wirken, aber die Wiedererkennbarkeit muss gesichert sein: Sprich, es bedarf eines markanten Elements, das in allen Medien auftaucht.

 

Kontextabhängige Anpassung

Head of Employer Branding: „Wir wollen vor allem Berufseinsteiger begeistern. Ich brauche für das Employer Branding ein paar Freiheiten.“ 

Ist ein Unternehmen in vielen Kontexten unterwegs, benötigt dieses ein Gestaltungssystem, das für die ganze Bandbreite von Kommunikationsanlässen von Lifestyle-Werbung über Geschäftsbericht bis hin zur Kondolenzkarte funktioniert und im Kontext variiert werden kann. 

Ein Beispiel aus der Mode: Viele Bewerber tragen im Vorstellungsgespräch für eine kaufmännische Stelle einen Anzug. Wer hingegen in der Werkstatt zum Probearbeiten einen Anzug trägt, wird bei den künftigen Kollegen – gelinde gesagt – auf Skepsis stoßen. Man „variiert“ das persönliche Erscheinungsbild also je nach Kontext: Es gibt die förmliche, aber auch die legere Kombination, die je nach Anlass zum Einsatz kommt. 

Bei aller Variation braucht es dennoch ein stets wiedererkennbares Signal: Im Fall der Mode ist es das Gesicht und die Gestalt des Bewerbers. Im Corporate Design kann das beispielsweise eine gleichbleibende, markante Farbe, die mit anderen Farben ergänzt wird, oder eine konstante Formensprache sein, aus denen sich wechselnde Motive konstruieren lassen.

 

Bewusste Ambiguität 

Ein Brand Manager hat auch die Möglichkeit, mehrdeutige Signale im Erscheinungsbild bewusst zuzulassen. Strategische Ambiguität (mehrdeutige, uneindeutige Kommunikation) ist ein Ansatz, sich als Organisation nicht festlegen zu müssen, sich Spielräume offenzuhalten und somit die Anschlussfähigkeit zu einer Vielfalt von Menschen sowie Kontexten zu bewahren: Sie ermöglicht Einheit in Vielfalt. 

 

Vielstimmigkeit statt Monotonie 

Diese Mehrstimmigkeit oder flexible Kommunikation lässt sich zur Philosophie erheben: Während es manchen Unternehmen gelingen mag, wie ein Orchester mit einem tonangebenden Dirigenten aufzutreten, gibt es Organisationen, die eher Jazz spielen: Viele kreative, durchsetzungsfähige Köpfe treffen hier aufeinander. In guten Momenten ergänzen sie sich zu einem interessanten Gesamtbild, in schlechten wirkt es chaotisch.*

Man kann ein lebendiges Erscheinungsbild als bewussten Gegenpol zu glattbügelnder Uniformisierung verstehen, sofern es eben darum geht, keine streng hierarchische Organisation wie zum Beispiel das Militär zu sein. 

Geschäftsführer Technologie-Start-Up:„Wenn wir agiles Arbeiten und bald sogar Holacracy als Organisationsmodell einführen, ist das schon ok, wenn unsere Kommunikation vielstimmig und auch mal etwas dissonant ist.“

Gründer NGO: „Wenn wir für den Schutz von Minderheiten kämpfen, dürfen wir dann in unserem eigenen Auftritt streng und langweilig wirken?“

Eine lebendige Organisation drückt ihre Identität somit durch lebendige (also variationsreiche) Kommunikation aus. Der Nutzen dieser Lebendigkeit (und der daraus resultierenden Variation) endet allerdings, wenn der Rezipient sie nicht mehr interpretieren kann – analog zu Avantgarde-Jazz, der ebenfalls nicht für jeden zugänglich ist. 

Die Wahrheit liegt für die meisten Unternehmen sicherlich in der Mitte zwischen den Extremen. Weder alle kontextuelle Individualität glattbügelnde Uniformisierung noch absolutes Laissez-Faire sind im Sinne des Brand Managements.

Gestalterische Ansätze oder „Ist das Corporate Design noch nicht gut genug?“

Das Corporate Design verbessern oder neu entwerfen 

Manchmal funktioniert das bestehende Corporate Design einfach nicht und die Anwender gehen gestalterisch eigene Wege. Hier ist die Lösung: Steht das Corporate Design sinnvoller Kommunikation im Weg, muss es überarbeitet oder komplett neu kreiiert werden. 

 

Das Corporate Design vereinfachen: Markante Prinzipien statt komplizierter Regelwerke 

Manche Corporate Designs sind zu kompliziert und werden deswegen falsch angewendet. Wie viele Regeln sind für das Erscheinungsbild notwendig? Muss jedes Medium bis in den Millimeter hinunter definiert sein? Klassische Corporate-Design-Manuals scheitern an mehreren Problemen:

  • Ab einem gewissen Umfang liest man sie nicht mehr, weil sie überwältigend wirken und man die notwendige Zeit und Arbeit scheut.
  • Die Zahl an Medien und Formaten ist explodiert: Jedes Medium bis ins Detail zu definieren, ist sehr arbeitsaufwändig.
  • Digitale Medien sind responsiv: Ihre Proportionen und Maße verändern sich dynamisch.
  • Digitale Medien wandeln sich schnell, so dass pixelgenaue Konstruktionszeichnungen oft schon veraltet sind, wenn man sie veröffentlichen möchte. 

Effizienter und effektiver stellen sich übergreifende Prinzipien dar, die jede Person je nach Kontext sinnvoll interpretiert. Voraussetzung für diesen Ansatz ist zum einen die gelungene Wahl von Prinzipien, die spezifisch genug sind, um stilprägend zu wirken, zum anderen aber ausreichend Flexibilität bieten, um in verschiedensten Zusammenhängen zu funktionieren. In der Entwurfsphase sollte entsprechend viel Zeit für das Prototyping eingeplant werden. 

Das Ergebnis: Je weniger Elemente es gibt, desto einfacher ist es für Gestalter innerhalb des Corporate Designs, gute Ergebnisse zu erzielen. 

 

Weniger, aber stärkere Brand Assets 

Einfache Prinzipien setzen starke inhaltliche und visuelle Klammern voraus: Je markanter ein Gestaltungselement ist, desto weniger zusätzliche Elemente braucht es, um ein Erscheinungsbild mit hohem Wiedererkennungswert zu entwickeln.

Manche Erscheinungsbilder sind zwar gut ausdefiniert, aber sehen für den durchschnittlichen Betrachter so aus wie der Auftritt jedes anderen Unternehmens der Branche. Hier braucht es Mut, auch sperrige Gestaltungsmittel zu verwenden.

Als Beispiel kann man an dieser Stelle die Deutsche Telekom nennen, die durch den prominenten und konsistenten Einsatz der Farbe Magenta ein Gestaltungselement hat, das nicht jedem gefällt, aber durch konsequenten Einsatz bekannt und eindeutig zuordenbar ist. Dieses Brand Asset ermöglicht es dem Unternehmen, in seinen anderen Gestaltungselementen relativ flexibel zu sein.

 

Templates statt Konstruktionszeichnungen 

Je einfacher Designvorgaben anzuwenden sind, desto eher werden sie genutzt. Dabei ziehen Gestalter ein gut aufgebautes Template einer Konstruktionszeichung vor, weil es für sie deutlich weniger Arbeitsaufwand bedeutet. Bei der technisch elaborierten Version von Templates handelt es sich um Layout-Generatoren, bei denen die Anwender nur die Inhalte eingeben müssen und die Gestaltung automatisch erfolgt.

In beiden Fällen sind die Corporate-Design-Regeln technisch hinterlegt – der Anwender muss sie dafür gar nicht kennen. Dieser Ansatz lohnt sich insbesondere für viel und langfristig genutzte Medien. Durch den Entwicklungsaufwand eignen sich solche Generatoren primär für Medien, die in bekanntem Format sehr oft gestaltet werden müssen. Generatoren für jegliches Format zu entwerfen, bedeutet bei der schnellen Weiterentwicklung digitaler Medien hingegen einen hohen Aufwand. Hier ist eine Kombination aus Arbeitshilfen in Form von Templates und dokumentierten Gestaltungsprinzipien für neue Kontexte ideal. 

Organisatorische Ansätze oder „Wie können wir im Sinne der Marke besser zusammenarbeiten?“

Letzlich sind viele der im letzten Artikel beschriebenen Phänomene Auswirkungen fehlender Koordination – inhaltlicher oder organisatorischer Art. 

 

Hierarchische Durchsetzung 

Wie erfolgreich die organisatorische Integration ist, hängt oft an der Macht und „Aufhängung“ des Corporate Brand Managements: Bei zentralisierten Unternehmen mit durchsetzungsfähigem Management besteht die Möglichkeit, durch individuelle Freigabe aller Kommunikation Konsistenz zu erreichen. Nachteile dieses Ansatzes sind ein hoher Arbeitsaufwand im Brand Management und eine verzögerte Kommunikation. 

Bei eher dezentral organisierten Unternehmen können Werbekostenzuschüsse die Einhaltung von Brand-Guidelines attraktiver machen. 

 

Initiale Konsensfindung 

Je mehr die Perspektiven und Anforderungen der Organisationseinheiten bei der Entwicklung des Corporate Designs berücksichtigt werden und je besser sich diese verstanden fühlen, desto höher ist später die Akzeptanz der Vorgaben. 

 

Organisatorische Integration, laufende Abstimmung

Neben dem Ansatz Konsistenz und Stimmigkeit durch übergeordnete Regeln zu schaffen (also Maßnahmen der inhaltlichen und visuellen Integration), stehen im Rahmen der organisatorischen Integration weitere Mittel zur Verfügung: Gibt es regelmäßige Treffen, Ausschüsse oder Freigabeprozesse, lässt sich die Balance zwischen Konsistenz und optimierter Gestaltung der Einzelmedien durch diese Art von Abstimmung und Koordination erreichen. Eine Lösung ist, das Corporate Brand Management als Querschnittsfunktion anzulegen oder Koordinationsmaßnahmen zwischen den Funktionen vorzusehen. 

 

Gestalterische Qualifikation 

Je qualifizierter und kooperationswilliger die beteiligten Gestalter sind, desto eher sind sie in der Lage, sowohl konsistente als auch für den jeweiligen Anlass passende Entwürfe zu gestalten. Hier kann das Corporate Design Management je nach Fähigkeiten entsprechende Freiräume definieren. 

Je anspruchsvoller das Corporate Design in der Anwendung und desto gemischter die Qualifikation der beteiligten Gestalter ist, desto eher empfiehlt sich ein strenges Corporate Design Management. Ein weiteres organisatorisches Instrument des Managements stellt somit die Auswahl und Qualifikation der Designer und Agenturen dar, die mit dem Erscheinungsbild arbeiten.

Wie viel Freiraum oder Konsistenz braucht ein Corporate Design?

  • Je homogener die Zielgruppen sind,
  • je ähnlicher die Positionierung der Produkte des Unternehmens ist,
  • je schneller die Marke etabliert werden muss,
  • je weniger Budget zur Verfügung steht, 
  • je vielfältiger die Qualifikationen der Gestalter im Unternehmen sind,

... desto konsistenter sollte ein Corporate Design sein. 

  • Je mehr Zielgruppen es gibt,
  • je unterschiedlicher sich die Produkte darstellen,
  • je markanter die Gestaltungselemente sind,
  • je lebendiger die Marke wirken soll,
  • je besser die Anwender des Corporate Designs gestalten können,

... desto mehr Freiheiten darf ein Corporate Design bieten. 

Fazit

Welches Maß an Konsistenz ist für eine Unternehmensmarke notwendig?

Der Idealfall: Ein über alle Touchpoints konsistentes Corporate Design, stets passend zum Kontext, bei dem sowohl der Gesamteindruck stimmt als auch die individuelle Kommunikationsmaßnahme bestmöglich wirkt. Ein Grundmaß an Zusammenhang und Stimmigkeit ist notwendig, damit ein Corporate Design seine Wirkung erzielt. Um diese Konsistenz zu erreichen, steht eine Bandbreite an Mitteln zur Verfügung. 

Das setzt voraus, an den richtigen Stellen zu investieren. Diese Investitionen lohnen sich. Denn je konsistenter das Corporate Design ist, umso schneller entfaltet es seine Wirkung (Wiedererkennbarkeit, Differenzierung, gewünschte Assoziationen) und umso besser unterstützt es den Unternehmenserfolg. In diesem Sinne muss anhand des Kontextes, der Ziele, der Struktur und der Ressourcen bestimmt werden, welchen Grad von Konsistenz das Unternehmen mit welchen Mitteln erreichen kann und soll. 

Dass Inkonsistenz im Design jedoch nicht nur negativ ist, sondern auch einige positive Aspekte mit sich bringt, erläutern wir im dritten Teil der Reihe „Corporate Design Management – zwischen Kontrolle und Flexibilität“.

Das Wichtigste in Kürze

  • Um die Unstimmigkeiten im Corporate Design zu regulieren, stehen Brand Managern verschiedene Lösungsansätze zur Verfügung.
  • Bei den konzeptionellen Ansätzen geht es um das Maß an Konsistenz, das man erreichen möchte.
  • Die gestalterischen Ansätze nehmen die konkrete Gestaltung des Corporate Designs, also die Designvorgaben und Prinzipien, in den Blick.
  • Die organisatorischen Ansätze beziehen sich auf die Strukturen und Prozesse innerhalb eines Unternehmens. 
  • Ein gewisses Maß an Konsistenz ist erforderlich, damit das Corporate Design seine gewünschte Wirkung erzielt. 

*Danke an Christof Erhart für die Analogie: www.futureproofingpr.de/de/uebe-uebe-uebe-und-dann-vergiss-alles-jazz-als-inspiration-fuer-agiles-kommunikationsmanagement

Markenstrategie & -entwicklung

Till Oyen

Till Oyen
Co-Founder

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